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Alt-Elft (Fere-Champenoise I)

Fersampenuaz- Mare von 1940 bis 1995, Sadove von 1995

Gründungsjahr

1816

Siedlungsnummer

11
Alt-Elft (Fere-Champenoise I)
Alt-Elft (Fere-Champenoise I)

Einwohner

Volkszählung 1930: 1.383 Deutsche / 87 Andere
Einwohner 1940: 1.439 Deutsche / 26 Andere

Karte

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Historie

Zwei Jahre nach dem Sieg der Verbündeten gegen Napoleon, am 25. März 1814 hei Fere-Champenoise in Frankreich, wurde in Bessarabien auf der „Steppe Nummer elf" die „Elfte Kolonie" namens „Elft", auch „Michaelsruhm" genannt, gegründet. Siegestrunken wurde von der Obrigkeit „Elft" in „Fere-Champenoise" umgetauft. Dieser Name kam neben dem unserer Gemeinde Brienne auch auf das Siegesdenkmal, das am 30. Oktober 1841 auf dem weltbekannten Schlossplatz in Stuttgart von dem württembergischen König Wilhelm errichtet wurde. Ein Bild aus Kupfer stellt die Schlacht bei Fere-Champenoise dar. Täglich wird von Besuchern aus aller Welt euer Name in Stuttgart ausgesprochen!

Aber der Kampf, den die Alt-Elfter seit der Gründung der Kolonie 1816 bis zur Umsiedlung ausgefochten haben, war härter, die Schlacht heißer, aber auch Gott wohlgefälliger. Dem wollen wir in diesem Bericht nachgehen.

Die Gründer kamen führer- und mittellos, dem Ruf Alexanders I. folgend, wie ihre späteren Nachbarn in Paris, aus dem Herzogtum Warschau (Polen) in Soroka (Bessarabien) an. In das Herzogtum Warschau waren ihre Vorfahren 1807 aus dem Königlich-Preußischen Regierungsbezirk Bromberg und aus Mecklenburg eingewandert. Doch war der Tausch ein schlechter, und gerne zogen sie weiter. Der russische Zar, welchem auch das „verheißene Land Bessarabien" seit 1812 gehörte, konnte sie als „König von Polen" in seinem eigenen Reiche besser schützen. Aber erst nach zwei Jahren „Lagerleben" in den schmutzigen moldauischen Gemeinden (1814 bis 1816) kamen sie auf dem Landteil Nummer elf an, und es dauerte ebenso lange, bis sie die Erdhütten mit menschenwürdigen Behausungen vertauschen konnten. – Diese waren wohl auch aus Lehm gestampft oder aus Lehmpatzen gebaut und mit Schilf oder Rohr gedeckt – ich sah die gleichen Häuser nach der Umsiedlung in Westpreußen, nur dass sie von einem Holzfachwerk gestützt waren –, aber sie waren doch schon ein Fortschritt, obwohl nur ein Übergang zu den schönen Häusern aus Muschelkalkstein in der Kolonie Alt-Elft.

Die 126 Ansiedlerfamilien erhielten die stattliche Landmenge von 7553,7 Desjatinen Landes zugeteilt, darunter 1512 Desjatinen Unland. Das Land war fruchtbar, und bei jedem Umbruch im Kogälniktale erfreuten auch in schwachen Jahren bis 1940 den Durchreisenden wogende Weizenfelder. – Da das Land beinahe nur auf der südlichen und südwestlichen Seite lag und sich bis 15 Kilometer ausdehnte, folgte die Gemeinde dem Arziser Beispiel, teilte die 126 Wirtschaften und gründete mit Genehmigung der Obrigkeit im Tale des Steppenflüsschens Alliaga die Kolonie Neu-Elft (Fere-Champenoise II). Die zurückgebliebenen Familien erhielten je 60 Desjatinen und machten sich an die Arbeit.

Die Landwirtschaft war der Hauptzweig der Beschäftigung. Die von der Regierung gegebene Ausrüstung bestand aus einem Wagen, einem Pflug, einem Spaten, einer Hacke, einer Sense, einer Sichel, einem Beil, einem Hammer und anderen Gegenständen. Das war wenig; aber was soll man sagen: Im Jahre 1952 besuchte ich die deutschen Siedler in Südfrankreich, und deren Ausrüstung war nach fast hundertfünfzig Jahren kein Haar besser, zum Teil weit geringer!

Der Umbruch des Bodens war schwer. Vor den „Einschar" wurden sechs bis acht Ochsen gespannt! Man musste zusammenspannen. Der Mangel an Zugvieh und Saatgut verminderte trotz des guten Bodens den Ertrag. Zunächst hatten die Ansiedler, die nicht, wie ihre Nachbarn, die Teplitzer, aus dem wein- und obstbaufreudigen Württemberg kamen, keinen oder wenig Sinn für Baumpflanzungen. Als sie aber bei diesen die wichtige Einnahmequelle des Wein- und Obstbaues entdeckten, ahmten sie mit umso größerem Eifer nach. Sie legten bis 1848 Weingärten in dem beträchtlichen Umfang von 85 Desjatinen an, die mit 155.000 Weinstöcken bepflanzt wurden. Ebenso rasch entwickelte sich der Obstbau. In demselben Berichtsjahr waren 4600 Apfel-, 1392 Pflaumen-, 549 Aprikosen-, 54 Nuss-, 999 Birn-, 1872 Kirsch-, 50 Pfirsich- und 85 Maulbeerbäume gepflanzt worden und brachten gute Ernten. Das Niederungsland an der linken Dorfseite mit seinem Süßwasser gab Gelegenheit zum Gemüsebau, dessen Segen erst durch die Missernten entdeckt wurde. Wenn auch der Steppenfluss trotz des Zuflusses der Quellen von dem Tarutinoer Tal unterhalb von Krasna in dürren Jahren austrocknete, bestand doch durch den flachen Wasserstand die Möglichkeit zu gießen. Hundert Jahre nach der Gründung wirkte Immanuel Reinke auf dem Gebiete des Obst- und Weinbaues bahnbrechend. Er hat sogar aus dem Ausland die edelsten Setzlinge besorgt und die Wein- und Obstgärten bewässert. Jetzt sah man, was die einst so öde Steppe hervorzaubern konnte. Und es gab trotzdem nur eine statt der sechs Schenken aus der Ansiedlungszeit!

Das Handwerk war ebenfalls eine wichtige Einnahmequelle, besonders die Herstellung von Gabeln und sonstigen Geräten für die Landwirtschaft. An kaufmännischen, industriellen und sonstigen Betrieben bestanden 1940: eine Dampfmühle, zwei Windmühlen, eine Ölmühle, eine Genossenschafts-und eine Privatmolkerei sowie eine Holzhandlung. Obwohl es nicht zu einem ausgesprochenen Wohlstand kam, ist doch die schwere Wirtschaftslage vieler Familien gebessert worden. Es wurde möglich, eine Parallelstraße mit schönen Häusern zu errichten, die Wohnmöglichkeiten zu vermehren und zu verbessern.

Kirchlich hat die Gemeinde den „allergrößten Fortschritt" erreicht. Der Kirchenbesuch war gut. An den Sonntagnachmittagen wurden in sechs Versammlungen Gebetstunden gehalten; die Teilnahme der Jugend an den Gottesdiensten und Stunden war dank der Gemeinschaften sehr rege. Eine erste Erweckung wird von Pastor Jundt 1892 in die Dorfchronik eingetragen. Es folgten weitere, so dass 1908 in Alt-Elft die erste Bruderkonferenz Bessarabiens stattfinden konnte. In den Jahren 1921/22, 1926, 1929, 1931 und 1933 wurden viele Gemeindeglieder erweckt, darunter viele Jugendliche. Das sind die Siege, die vom Geiste Gottes erfochten wurden und die den Namen der Gemeinde weithin bekannt machten.

Zu den bedeutendsten Leitern der Gemeinschaft vor dem Ersten Weltkrieg gehörten: Johannes Klotzbücher und Johann Quast, nach dem Ersten Weltkrieg: Immanuel Ruff, Immanuel Quast, Küsterlehrer Chr. Fruck und Lehrer Reinhold Tschritter. Die Gemeinschaftsleute waren auch in den kirchlichen Körperschaften tätig und halfen mit, Abspaltungen von der Kirche, insbesondere durch den Separatismus, zu verhindern.

Das Kriegerdenkmal neben der Kirche wies mit seinem bewusst gewählten Platz auf den Glauben hin, in welchem die Gefallenen ihre schwerste Pflicht erfüllten.

Die Kirche, die Zierde des Dorfes, wurde in den Jahren 1894 bis 1896 erbaut und hatte 800 Sitzplätze. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, standen das Rathaus und das Schulhaus mit den Lehrerwohnungen. Am 25. Mai 1924 fand die Grundsteinlegung des neuen Schulhauses statt, das schon nach vier Monaten fertig war. Der Vorsitzende der Baukommission und die Mitglieder leisteten Einmaliges. Die Schule, 34,14 Meter lang und 10,67 Meter breit, enthielt vier Klassen, ein Lehrerzimmer und einen Raum für die Lehrmittel. Im Ganzen unterrichteten sieben Lehrer 280 bis 300 Kinder. Die Wohnung für den Küster und einen Lehrer war schon 1898 erbaut worden. Außer diesen Bauten befanden sich im Besitze der Kirchengemeinde: ein Getreidemagazin, der Friedhof mit dem Leichenhaus und zwei bebaute Gemeindehöfe.

Auch dem kulturellen Bedürfnis wurde in der Gemeinde Rechnung getragen. Neben dem Frauenverein bestanden ein Bildungsverein, ein Kirchenchor und ein Bläserchor.

Der Fortschritt der Gemeinde wurde durch manche Katastrophe aufgehalten. 1817, also ein Jahr nach der Gründung, starben etwa hundert Personen an Fieber. Im darauffolgenden Jahre sind ganze Familien ausgestorben. So steht es in einer alten Aufzeichnung.

Die von Lindl in Santa ausgehende Separation brachte in dieser erregten Zeit zu allem viel Unruhe hinzu. Sechs Familien gingen zu den Separatisten über. 1829 kam die Pest, und ein Erdbeben brach aus. 1831 herrschte die Cholera, die in vier Monaten vierzig Menschen wegraffte; 1855 wiederholte sich die Cholera und forderte weitere Opfer.

Der unglückselige Krim-Krieg (1854 bis 1856) und der Russisch-türkische Krieg (1877 bis 1878), an dem die ersten deutschen Kolonisten teilnahmen, brachte große Lasten für die Bauern. Die periodischen Missernten trafen neben den anderen Gemeinden auch die von Alt-Elft. Ist das nicht eine lebendige Illustration für die biblische Wahrheit, dass auch der Fromme durch Leiden geläutert und im Glauben gefestigt werden muss?

Aber in dem allem hat die Gemeinde-überwunden. Sie durfte dabei auf weise Lehrer und beispielgebende Männer der Obrigkeit sehen. Wir nennen nur: Küsterlehrer Gottfried Weiß, Johann Witt, Emil Witt, Christian Fruck und Reinhold Tschritter sowie den letzten Kirchspielskurator Lehrer Otto Lehmann. Auch die Gemeindeschreiber Frey, Kienzle und Nathanael Tschritter seien genannt. Letzterer, als der „Onkel" überall bekannt, hat allen Nöten niemandem seine Hilfe versagt. Ebenso haben die Dorfschulzen August Tschritter, K. und G. Reinke, G. Sasse und J. Bauer der Gemeinde treu gedient. Der letzte „Primar" war R. Reich.

Die „Alt-Elft" sprach ihre „eigene Mundart" und unterschied sich darin von allen anderen Gemeinden. Es war eine eigenartige Zusammensetzung von Schwäbisch, Hochdeutsch und Plattdeutsch. Aber sie priesen Gott mit einer Zunge und einer Sprache, und diese verstehen wir alle nach der Katastrophe 1945 besser als je in den hunderfünfzig Jahren: „Ehre sei Gott in der Höhe!"

Nach der Kartei festgestellte Verluste unter dien Zivilpersonen (Stand vom 31. Dezember 1964)

Verschleppte: 4
Auf der Flucht und in der Verschleppung Verstorbene: 52

Quelle: Heimatbuch der Bessarabiendeutschen, Pastor Albert Kern, S. 115-119

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Liste der ersten Kolonisten
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