Patenschaft
Bessarabien-Logo
Bessarabien­deutscher
Verein e.V.
Dobrudscha-Logo

Kleiderschrank

Kleiderschrank
Kleiderschrank

Spenden

Datum Spender Betrag
6. Mai 2022 Baldur Höllwarth 500,00 €

Beschreibung

Der Schrank ist aus massivem Escheholz gefertigt und ist 1,98 m hoch, 1,30 m breit und 59 cm tief. Er ist von mittelbrauner Farbe.

Hinter zwei Türen wird eine Inneneinteilung sichtbar, oben ist ein durchgehender Fachboden, darunter teilt eine Seitenwand den Schrank im Verhältnis 1/3 zu 2/3. Der größere rechte Schrankteil ist zur Aufnahme von Kleidern und Anzügen bestimmt, der kleinere linke Schrankteil ist durch Bretterböden in 5 gleichgroße Fächer unterteilt.

Geschichte

Als mein Urgroßvater Jakob Wagner aus Sarata vor über 150 Jahren diesen Schrank baute, konnte er nicht ahnen, dass dieses Möbelstück einmal in Stuttgart im Museum der Deutschen aus Bessarabien aufgestellt würde.

Jakob Wagner war Kolonist und Tischler in Sarata und baute den Schrank als Hochzeitsgeschenk für seine Braut Anna Maria Stuhlmüller. Die beiden heirateten im Herbst 1871, so dass der Schrank in dieser Zeit entstanden ist.

Es ist nicht bekannt, wann dieser Schrank von meinem Urgroßvater († 1932) an meine Großeltern Jakob Höllwarth und Maria Katharina geb. Wagner übergegangen ist. Bekannt ist aber, dass meine Eltern Emil und Konstanze Höllwarth diesen Schrank während ihrer Zeit in Sarata (1929-1933) von ihren Eltern, beziehungsweise Schwiegereltern erhielten.

Nach vier Jahren in Sarata zogen meine Eltern nach Schabo, nahmen ihren gesamten Hausrat mit und im Jahr 1938 weiter nach Akkerman. Kurz nach Kriegsausbruch erhielt mein Vater eine gute Anstellung in Bukarest und so wechselte die Familie mit „Sack und Pack“ wieder einmal den Wohnort. In jenen bewegten Zeiten konnte man von Sesshaftigkeit nicht reden. Im Winter 1940-41 ließ sich unsere Familie mit den Bukowina-Deutschen nach Deutschland umsiedeln. Es ist ungewöhnlich, dass so große Möbelstücke ihren Weg bis Deutschland gefunden haben, da bei der Umsiedlung aus Bessarabien solche nicht mitgenommen werden durften. Abweichend zur Umsiedlung der Bessarabiendeutschen, konnten meine Eltern den gesamten Hausrat mit nach Deutschland nehmen, wo er in Wien in einem Speditionslager abgestellt wurde. Soweit bekannt, sind keine weiteren Möbel dieser Art aus Bessarabien bis Deutschland gelangt.

Das Besondere an dem Schrank ist aber der Werdegang wie es möglich war, dass er heute im Museum steht. Es ist eine Kette von Zufällen, die man sich gar nicht ausdenken kann, aber sie trafen tatsächlich zu.

Nach einem Lageraufenthalt in Deutschland wurden wir in der Untersteiermark, im Kreis Rann an der Save angesiedelt. Nun konnten meine Eltern ihren Hausrat aus Wien kommen lassen und in dem zugewiesenen Haus aufstellen. Dass dieser Zustand nur wenige Jahre dauern sollte, hat damals niemand geahnt. Danach passierten aber die seltsamsten Zufälle, bis der Schrank meines Urgroßvaters (neben einer Kommode meiner Urgroßmutter), heute im Bessarabischen Museum stehen konnte.

Die Partisanen unter Tito begannen, die Höfe der deutschen Bewohner zu überfallen, so dass der Aufenthalt lebensgefährlich wurde. Trotzdem durften die Höfe gemäß den behördlichen Anordnungen nicht verlassen werden. Ausgenommen waren Frauen und Kinder. Diese durften in die Obersteiermark evakuiert werden. Das veranlasste meinen Vater, meine Mutter mit uns Kindern in die Obersteiermark nach Fohnsdorf evakuieren zu lassen. Meine beiden älteren Brüder besuchten dabei zeitweise eine Internatsschule. Aus diesen Gründen war es trotz des Krieges möglich, verschiedene Gegenstände des Hausrats, darunter eben diese beiden Möbelstücke und auch ein Jugendschlafzimmer (alles aus Bessarabien) aus dem unsicher gewordenen Ansiedlungsgebiet in die Obersteiermark zu schicken. Der Schrank und die Kommode wurden mit Federbetten, einem Radio, mit einem Schinken und anderen Dingen gefüllt und jedes in einen großen Holzverschlag gesteckt, damit sie die Bahnreise heil überstehen konnten. Der größte Teil des Hausrates musste aber in der Untersteiermark bleiben und ging dann bei der Flucht im Mai 1945 verloren.

Die „Reise“ des Schrankes und der anderen Möbel war aber noch nicht zu Ende. Zunächst mussten sie in der Steiermark noch einige Umzüge durchstehen, bis wir im Sommer 1947 nach Deutschland kamen. Auch da ging es turbulent zu. Da wir vorerst nur eine sehr kleine Wohnung zugewiesen bekommen hatten, musste der Schrank in der Scheune abgestellt werden.

Wie sich bald zeigen sollte, war das auch wieder nur eine Zwischenstation, denn schon im August 1948 stand der nächste Umzug in die Nähe von Welzheim (Kreis Waiblingen) an. Die Möbel wurden dort normal von uns genutzt. Im Jahr 1953 übersiedelten wir nach Bolivien und stellten unsere Möbel, darunter
auch der Schrank, bei Verwandten unter, da wir beabsichtigten, nach einiger Zeit wieder nach Deutschland zurück zu kehren.

Nach unserer Rückkehr aus Südamerika im Jahr 1957 erwarben meine Eltern ein altes Haus und begannen, die bei der Verwandtschaft untergestellten Möbel wieder einzusammeln. In der gleichen Zeit wurde der Kleiderschrank in verschiedenen Zimmern aufgestellt bis er letztlich auf dem Speicher landete. Er wurde aber immer noch zur Aufbewahrung der selten getragenen Kleider benützt.

Im Jahr 1966 hatten meine Eltern ein neues Haus gebaut und so musste auch der Schrank weiterziehen. Besonders beim Schrank war das sehr mühselig. Da man ihn nicht zerlegen konnte, war er äußerst schwer und unhandlich. Wenn man ihn transportieren wollte, musste man ihn mit einem Kraftakt auf Hüfthöhe heben, dann konnte man ihn unter Aufbietung großer Anstrengung tragen.

Der Schrank (und auch die Kommode) wurden allerdings nicht mehr aufgestellt. Christian Fieß, der damalige Leiter des Museums, sah die beiden bessarabischen Möbelstücke und wollte sie unbedingt für das Museum erwerben. Vor der Aufstellung im Museum wurden die beiden Möbelstücke restauriert, so dass sie heute wieder in etwa ihrem ursprünglichen Zustand entsprechen.