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Ein letztes Mal?

Anne Seemann , Brigitte Bornemann , Erika Wiener · 28. Oktober 2025
Ca. 70 Gäste bei der Ausstellung-Eröffnung
Ca. 70 Gäste bei der Ausstellung-Eröffnung

15 Jahre, 37 Städte in 5 Ländern auf 2 Kontinenten – die Ausstellung „Fromme und tüchtige Leute …“ ist eine Erfolgsgeschichte. Basierend auf den Forschungsergebnissen von Dr. Ute Schmidt, gestaltet in Zusammenarbeit mit Prof. Ulrich Baehr, erzählen 32 Banner im Hochformat die Geschichte der Bessarabiendeutschen von der Auswanderung 1814 bis zur Umsiedlung 1940. Doch die beiden Autoren, die die Wuppertaler Ausstellung noch mit initiiert hatten, müssen sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Da derzeit noch keine Nachfolge für die Organisation weiterer Ausstellungen in Sicht ist, hat sich Erika Wiener, Landesvorsitzende Nord, bereit erklärt, die Ausstellung „Fromme und tüchtige Leute …“ in Wuppertal zu organisieren.

Das Grab Ignaz Lindls auf dem Oberbarmer  Friedhof in Wuppertal

Das Grab Ignaz Lindls auf dem Oberbarmer Friedhof in Wuppertal

Für das „große Finale“ wurde ein würdiger Ort und ein würdiger Anlass gefunden. Denn in und um Wuppertal leben viele Bessarabiendeutsche sowie ihre Nachkommen. Und auf dem Oberbarmer Friedhof hat Ignaz Lindl, Begründer von Sarata und wohl der schillerndste Vertreter unter den frühen Siedlern, seine letzte Ruhestätte gefunden. 2025 jährt sich sein Todestag zum 180. Mal. Durch die Vermittlung von Michael Hornung, Delegierter des Bessarabiendeutschen Vereins und gut in der Wuppertaler Lokalpolitik vernetzt, war die Stadt bereit, den Lichthof des Rathauses als Ort der Ausstellung zur Verfügung zu stellen.

Beginn der feierlichen Ausstellungseröffnung war um 15 Uhr. Ca. 70 Gäste konnte Michael Hornung begrüßen. Das erste Grußwort sprach Bürgermeister Heiner Fragemann, der als Hausherr alle Gäste in Wuppertal herzlich willkommen hieß. In seiner Rede betonte er die gute Gemeinschaft der Stadt mit den Vertriebenen, darunter die Bessarabiendeutschen, die sich nach dem Krieg mit großem Engagement für den Wiederaufbau der ansässigen Industrie einsetzten.

Botschafter der Republik Moldau S.E. Aureliu Ciocoi fand in seinem Grußwort ebenfalls viele anerkennende Worte für die Zusammenarbeit mit dem Bessarabiendeutschen Verein. Er möchte die Ausstellung ein weiteres Mal nach Chisinau holen und will sich bei der neu gewählten Regierung dafür einsetzen, dass die Geschichte der Deutschen in Moldau in die Unterrichtsfächer aufgenommen wird.

Der Beauftragte der nordrhein-westfälischen Landesregierung für die Belange der deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler, Heiko Hendriks, betonte in seiner Rede die Bedeutung der Erfahrung der Vertriebenen für die heutigen Probleme vieler Zuwanderer nach Deutschland und deren Integration. Michael Hornung dankte Heiko Hendriks im Namen des Vereins für die finanzielle Förderung der Landesregierung, ohne die diese Ausstellung nicht hätte stattfinden können.

In seinem spontanen Grußwort hob der Landesvorsitzenden des BdV NRW, Rudi Pawelka, die aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten hervorgegangenen verdienten Persönlichkeiten hervor. Zuvor hatte Heiko Hendriks auf den kürzlich verstorbenen ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler als Beispiel für einen hochdekorierten Bessarabiendeutschen aufmerksam gemacht.

Dr. Cornelia Schlarb brachte den Zuhörern in ihrem Vortrag den charismatischen Prediger Ignaz Lindl nahe, der ein Visionär und der Gemeindegründer von Sarata war. Ausführlich schilderte sie seinen Lebensweg von Deutschland über St. Petersburg, die Kontakte, die er zu Zar Alexander I. hatte und wie er nach Südrussland kam. Seine hohe Begabung als Prediger zog viele Menschen an. So auch Christian Werner, ein vermögender Tuchhändler aus Schwaben, der ihm nach Sarata folgte und nach dem später die „Werner-Schule“, erste Lehrerbildungsanstalt in Südrussland, benannt wurde. Lindl wurde aus Bessarabien abberufen. Die letzte Station seines beruflichen Wirkens war in Wuppertal-Barmen, wo er am 31. Oktober 1845 auf dem Barmer Friedhof seine letzte Ruhestätte fand. Sein Grab ist heute ein Ehrengrab.

Zur Einführung in die Ausstellung trug Brigitte Bornemann die Ansprache von Prof. Baehr vor, nachdem sie von ihrer persönlichen Beziehung zu Wuppertal gesprochen hatte. Sie erzählte von ihrem Onkel, der nach der Flucht in Wuppertal Arbeit gefunden hatte. Er war leider kein leuchtendes Beispiel, sondern eher ein schwarzes Schaf unter den Bessarabiendeutschen, verlor aber nie die Verbindung zu seiner Herkunftsfamilie nahe Bremen. Die Geschichte berührte einige Zuschauer sehr. Sie bedankten sich anschließend bei Brigitte Bornemann und berichteten von den schweren Schicksalen in ihren Familien.

Pause mit Fingerfood und Getränken

Pause mit Fingerfood und Getränken

Nach einer kleinen Pause, in der Fingerfood und Getränke gereicht wurden und in der die Gäste sich die Banner anschauen konnten, ging es um 17:30 Uhr zum nächsten Programmpunkt. Dr. Hartmut Knopp stellte den preisgekrönten Dokumentarfilm „Exodus auf der Donau“ vor, der von dem Regisseur Péter Forgács zusammengestellten wurde. Der Film zeigt zum Großteil die Privataufnahmen des Donaudampfschifffahrtkapitäns Nándor Andrásovits, die lange unentdeckt in Privatbesitz waren. Zu sehen sind die gegenläufigen Reisen zweier Gruppen. Einmal 1939 eine Gruppe Juden auf der Flucht nach Palästina. Und dann 1940 eine Gruppe von Bessarabiendeutschen, die ihre Heimat verließen. Es sind viele anrührende Szenen entstanden, die die Menschen und ihre Situation eindrucksvoll eingefangen haben.

Im Anschluss an den Film dauerte es, bis sich die Gäste nach und nach zerstreuten. Überall im Saal standen noch Grüppchen in angeregten Gesprächen versunken.

Dies war nun der letzte Auftritt der Ausstellung „Fromme und tüchtige Leute …“ in der gewohnten Form. Die Banner wurden von den Autoren dem Bessarabiendeutschen Verein übereignet, der sie bis auf weiteres in seinem Magazin in Stuttgart einlagern wird. Öffentlich zugänglich ist weiterhin die Website www.bessarabien-expo.info, die einen kleinen Eindruck gibt. Wie wir gehört haben, will der Botschafter die Ausstellung nach Chisinau holen, doch konkrete Pläne gibt es noch nicht.

Die fleißigen Handwerker nach gelungenem Aufbau: Michael Hornung, Viktor Fritz und Philipp Thaben

Die fleißigen Handwerker nach gelungenem Aufbau: Michael Hornung, Viktor Fritz und Philipp Thaben

Zur Wanderausstellung  „Fromme und tüchtige Leute…“ von Prof. Ulrich Baehr

Seit nunmehr 15 Jahren wandert die Ausstellung „Fromme und tüchtige Leute…“ über die Deutschen aus Bessarabien durch inzwischen sage- und schreibe 37 kleinere und große Städte in Südosteuropa, in Deutschland und den USA und findet überall ein großes und interessiertes Publikum.

Auf den 32 großformatigen Bannern ist die Geschichte und das Leben der deutschen Siedler am Schwarzen Meer in Bildern, Texten und Dokumenten facettenreich und in Farbe nachzuverfolgen.

Grundlage sind die Forschungen und die Bücher von Ute Schmidt, z. B. „Bessarabien – Die deutschen Siedlungen am Schwarzen Meer“, Potsdam 2009, 3. Aufl. 2022, wovon es auch eine englischsprachige, eine rumänischsprachige und eine russischsprachige Ausgabe gibt.

Dargestellt sind nicht nur die historischen Fakten und Umbrüche, sondern auch exemplarisch die besonderen Prägungen und charakteristischen Eigentümlichkeiten, die die Bessarabiendeutschen und ihr Schicksal von anderen deutschen und andersethnischen Minderheiten unterscheiden.

Besondere Schwerpunkte, die auch durch unterschiedliche Farbgestaltung hervorgehoben werden, sind die Wirtschaft mit der spezifischen „deutschen“ Arbeitsethik, die wichtige Rolle von Religion und Schule, das Zusammenleben mit den anderen Volksgruppen oder die lokale, quasi demokratische Selbstverwaltung in den Dörfern und schließlich das „kulturelle Kapital“, das die Bessarabiendeutschen nach den
Herausforderungen des 20. Jahrhunderts in die Gegenwart mitgebracht haben.

Die erste Station der Ausstellung fand im Jahre 2010 im Nationalen Historischen Museum in Chisinau statt. Das extreme Hochformat der Banner erklärt sich aus den großen Bronzerahmen in dessen Sälen.

Ein weiterer Höhepunkt war die Präsentation in der wunderbar restaurierten deutschen Kirche St. Paul in Odessa mit dem neu eröffneten deutschen Kulturzentrum im Herbst 2011. Es folgten weitere Stationen in der Ukraine, wie Tschernowitz, Lemberg/Lwiw und
Kiev. Heute sind diese Städte, wie das ganze Land, der brutalen Aggression durch Russland ausgesetzt.

Auch in anderen Regionen Südosteuropas, in denen deutsche Minderheiten mit vergleichbarer Geschichte wie die Deutschen aus Bessarabien beheimatet gewesen sind, z.B. Herrmannstadt in Siebenbürgen, aber auch in Bukarest, Galatz und Constanta wurde die Ausstellung präsentiert.

In Deutschland wurde die Ausstellung, mit Unterstützung durch den Bessarabiendeutschen Verein, z.B. im Stuttgarter Rathaus, in München im „Haus des Deutschen Ostens“, im „Donauschwäbischen Zentralmuseum“ in Ulm, im Niedersächsischen Landtag in Hannover sowie u. a. in Düsseldorf, Bonn, Erfurt, Bremen, Güstrow und 2015 auch in Berlin gezeigt.

In die USA wurde die Ausstellung bereits im Juli 2012 eingeladen, und zwar vom „Germans from Russia Heritage Society (GRHS)“ nach Bismarck, der Hauptstadt von North Dakota, und nach Minneapolis, wo besonders viele deutsche Emigranten aus Russland und auch aus Bessarabien seit langem beheimatet sind. 

2014 jährte sich die Einwanderung deutscher Siedler nach Bessarabien zum 200. Mal. Im Auftrag des Auswärtigen Amtes realisierten die Autoren unter dem Titel „Deutsche Spuren in Moldau“ aus diesem Anlass im Nationalen Kunstmuseum in Chisinau eine um weitere Aspekte und um Objekte aus dem Bessarabiendeutschen Museum Stuttgart ergänzte Sonderausstellung. 

Die Jubiläumsausstellung hatte in vier Wochen mehr als 10.000 Besucher. Die damalige Außenministerin der Republik Moldau, Natalia Gherman, bewertete im Dezember 2014 bei einem Besuch in Berlin die Ausstellung als eines der wichtigsten Kulturereignisse seit Bestehen der Republik Moldau. 

Besonders bemerkenswert war die Präsentation der russisch-englisch-deutschen Fassung der Ausstellung im Museum in Tiraspol, der „Hauptstadt“ der von der Republik Moldau abgespaltenen, von Russland abhängigen Region „Transnistrien“, wo es auch deutsche Siedlungen gegeben hatte, im Sommer 2022, also wenige Monate nach dem
russischen Überfall auf die Ukraine. Die dortigen Autoritäten waren ausgesprochen interessiert am Austausch und erbaten sich sogar Teile der Ausstellung als Geschenk für ihr Museum.

So hingen die Banner im Lichtsaal des Wuppertaler Rathauses

So hingen die Banner im Lichtsaal des Wuppertaler Rathauses