Flucht Januar 1945
So wie die übrige deutsche Bevölkerung im Osten des Reiches hatten zu Beginn der zweiten Januarhälfte 1945 mit dem Herannahen der Front auch die Umsiedler aus Bessarabien den Evakuierungsbefehl (treffender wäre der Begriff Fluchterlaubnis) erhalten. Überall brachen die Trecks auf und zogen durch Eis und Schnee in Richtung Westen. Es war eine Evakuierung der Zivilbevölkerung vor der herannahenden Front; es war gleichzeitig eine Flucht der Zivilbevölkerung vor dem, was die Zurückbleibenden in der folgenden Zeit erwartete: eine Welle von Mord, Plünderung und Vergewaltigung, Deportation zur Zwangsarbeit nach Sibirien...
Die meisten bessarabiendeutschen Umsiedler gelangten 1945 auf ihrer Flucht nach Deutschland - ein kleinerer Teil wurde nach Sibirien verschleppt oder wieder nach Rumänien zurückgeführt.
(teils zusammengefasster Textauszug aus Dirk Jachomowski, Die Umsiedlung
der Bessarabien-, Bukowina- und Dobrudschadeutschen, 1984, R. Oldenbourg
Verlag München, Bibliothek Heimatmuseum)
Auszug aus einem Erlebnisbericht: "Mit Mühe konnten wir, Tante Maria und ich, uns einreihen in die Flüchtlingskolonne. Da gab es keine Geschlossenheit mehr....
Wir fuhren Richtung Grenzhausen im Schneckentempo. Immer wieder mußten wir anhalten und lange stehen bleiben. Wir wußten nicht, was sich da vorne abspielte. Es war eine unübersehbare Schlange von Fuhrwerken un Militärfahrzeugen dazwischen.
Plötzlich näherte sich ein Flugzeug. Es eröffnete das Feuer auf die Fahrzeuge; so wußten wir nun also, daß es ein russisches Flugzeug war. Ich schrie: "Runter vom Wagen!" Fritz war sofort unten und schon hinten, der Mutter beim Absteigen zu helfen. Ich sprang auch über den Wagen und half der Tante Emma. Alle rannten davon in eine Richtung. Das Lieschen, in Mänteln verpackt, schrie: "Papa!" Ich holte sie aus den Mänteln heraus und half ihr vom Wagen herunter. In dem Moment hörte ich einen starken Knall..."
Flucht aus dem Wartheland, erzählt von Otto Büchle, Jahrbuch 2007, S. 174 ff.