Bericht von Olaf Hollinger
siehe auch: http://www.scholtoi.de/Deutsch/Reise%202013.html
Bericht von Theresa Oetter
Eine große Gruppe: 142 Reiseteilnehmer (plus 12 Teilnehmer an der integrierten 8-tägigen Flugreise) bei der 14-tägigen kombinierten Flug- und Schiffsreise vom 2. – 17. August 2008 nach Bessarabien und zurück auf der Donau bis Passau. Selbst aus Australien, Kanada und den USA war ihnen die Anreise nicht zu weit. Warum immer wieder nach Bessarabien? Warum in Gebiete, die deutlich unter den touristischen Standards liegen, die wir im Allgemeinen gewohnt sind?
Die darauf folgende komfortable Schiffsreise war nicht nur eine beeindruckende touristische Veranstaltung mit Besuchen der Hauptstädte entlang der Donau und erholsamen und aussichtsreichen Aufenthalten auf dem Sonnendeck. Auf den Spuren der Umsiedler (Sie waren 1940 mit Donauschiffen z.B. auch von Ismail nach Prahovo oder Semlin gebracht worden, wo es dann mit der Bahn weiterging.) weckte sie immer wieder Erinnerungen, auch wenn sichtbare Hinweise auf den damaligen logistischen Aufwand des NS-Regimes nicht mehr vorzufinden sind.
Die Schiffsreise wurde bereichert durch viele Informationen unseres Bessarabienkenners und Ehrenbundesvorsitzenden Dr. h.c. Edwin Kelm sowie durch viele Möglichkeiten, über die in Bessarabien gesammelten Eindrücke und Erinnerungen zu berichten. So waren die einen enttäuscht von der Armseligkeit der meisten Ansiedlungen, andere begeistert von der Gastfreundschaft der Bewohner und der unerwarteten Vielfalt der Landschaft vor allem in Moldawien. Ein besonderes Erlebnis selbst für die Ukrainer: Hunderte von Störchen auf Bäumen und Strommasten am Straßenrand bei der Rückfahrt vom Donaudelta nach Sergejewka.
Mit großem und dankbarem Interesse aufgenommen wurde auch ein vom Verfasser dieses Berichts erarbeiteter und im Panorama-Salon der „Amadeus Classic“ präsentierter Power-Point-Vortrag, in dem er unter dem Titel „Der Kreis hat sich geschlossen“ ausführlich über die Auswanderung, das Leben in Bessarabien als Teil Russlands, die Zeit in Rumänien, die Umsiedlung, die Ansiedlung in Polen, die Flucht und den Neuanfang in Deutschland referierte.
Überzeugtes Resümee am Schluss: Die gesamte Reise war sehr beeindruckend, auch emotional bewegend und auf alle Fälle sehr lohnend für alle, die sich auf die Faszination Bessarabien eingelassen haben. Auch wenn es im Hinblick auf die Unterbringung in den beiden Hotelanlagen in Sergejewka und auf das Ausflugsprogramm vor allem in Wien noch Abstriche zu vermerken gab. Beeindruckend auch das trotz der großen Teilnehmerzahl bald vorhandene vertraute Gemeinschaftsgefühl, das neben den gleichartigen Erlebnissen auch durch die von verschiedenen Personen gestalteten Morgenandachten und das gemeinsame Singen gefördert wurde.
In einer überwältigenden Spendenbereitschaft der Reiseteilnehmer (1400 Euro für die baptistische Kirche in Akkerman, 700 Euro für die Heizung in der Sarataer Kirche, 760 Euro für die Folkloregruppe und 550 Euro für das Edwin-Kelm-Museum in Friedenstal) kam deren Dankbarkeit zum Ausdruck.
Es bleibt zu wünschen, dass Dr. Kelm, der übrigens während des Bessarabienaufenthaltes im Hotel in Sergejewka seinen Geburtstag mit uns feiern konnte, zusammen mit seiner Frau Olga und seinem treuen Organisator und Helfer Valery noch lange die bewundernswerte Kraft und Energie hat, solche Reisen durchzuführen.
Text: Heinz Fieß
Fotos: Dr. Artur Schaible, Walter Fieß
Sommerurlaub? - In Bessarabien? - Kenne ich nicht!" Solche verwunderten, ja fast ungläubigen Fragen mussten wir beantworten, als wir unser diesjähriges Sommerurlaubsziel nannten. Aber wir konnten es erklären. Es sollte eine Spurensuche werden. Unsere Kinder, die uns begleiteten, sollten erfahren, wo ihre Großmutter und ihre Urgroßeltern herstammten, und wir wollten am Schwarzen Meer, nahe Odessa, auch ein paar Tage Urlaub einstreuen. Voller Neugier und gespannter Erwartung reisten wir also vom 28. august bis 4. september 2007 nach bessarabien.
Nun, ein echter Urlaub im Sinne von Erholung ist es wohl nicht geworden, aber sonnige Tage, voller Erlebnisse und Gastfreundschaft in einem armen, ja manchmal auch erbarmungswürdigen Land.
Nachdem meine Frau und ich vor 13 Jahren schon einmal Bessarabien besucht haben, war es für uns interessant zu erfahren, dass sich Vieles nur sehr langsam zum Positiven wendet. Nach wie vor fehlt es am Nötigsten, nämlich an einer geordneten Wasser- und Abwasserversorgung. Selbst in der Bezirkshauptstadt Akkerman ist am Tag nur etwa sechs Stunden Wasser verfügbar. In den Heimatdörfern der Bessarabiendeutschen wird nach wie vor das Wasser wie zur Zeit der Auswanderung vom Brunnen geholt. Wir hatten unsere Kinder darauf vorbereitet. Sie sollten erfahren, dass es mitten in Europe noch Armut gibt und es kaum vorstellbar ist, dass dieses Land 2013 (so wird derzeit überlegt) Anschluss an die Europäische Union findet.
Wir hatten auch damit gerechnet, dass in unserer Reisegruppe noch viele Ältere aus der Erlebnisgeneration sein würden. Doch weit gefehlt! Die Mehrheit in der Gruppe stellten die Enkel- und Urenkelgeneration, die sich wie wir, häufig nicht zum ersten Mal, auf Spurensuche machte. Ein ermutigendes Zeichen für den Bessarabiendeutschen Verein und dessen Arbeit.
Nach einem entspannenden Badetag am Meer machen wir uns am 30. August 2007 gemeinsam mit Kuno Lust, dem „Finanzminister" des Bessarabiendeutschen Vereins auf nach Sarata und Lichtental. Sprachkundige Chauffeure helfen uns, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Nach gut einstündiger Fahrt auf holprigen Straßen erreichen wir Sarata, das mit einer eindrucksvollen Kirche - dem „Dom in der Steppe" - und der Lehrerbildungsanstalt, der Wernerschule, das kulturelle Zentrum Bessarabiens war. Die Schule verfallen und nur noch eine Ruine, aus der Steine gebrochen werden, so präsentiert sich diese einstmals blühende Bildungseinrichtung. Benachbart dazu die Kirche und das mittlerweile dazugehörige Gemeindehaus in einem guten Zustand. Die heutigen Nutzer, die örtliche Baptistengemeinde, empfängt uns freundlich. Das Haus meines Großvaters, Jakob Stuhlmüller, früher in der Wernerstraße, und zwar mit Nummer 241, heute in der Leninstraße, ist im Vergleich zu unserem Besuch im Jahr 1994 in einem deutlich schlechteren Zustand. Es ist weiter geteilt worden und mittlerweile wird es von vier Partien bewohnt, keine funktionierende Wasserversorgung: das Ganze in einem erbarmungswürdigen Zustand.
Trotzdem werden wir von zwei älteren Damen mit großer Freundlichkeit empfangen. Bereitwillig lässt man uns eintreten und wir können die Umstände, unter denen die Menschen wohnen, betrachten. Was würde mein Großvater sagen, wenn er dies heute so sehen müsste? Diese Frage bewegt mich. Was ist aus dem von unseren Vorfahren einst geschaffenen blühenden Agrarland geworden? Es ist stehen geblieben. Die Menschen zwar freundlich, aber auch unverkennbar von einer Lethargie belegt, die sich über das Land zieht. Steine aus alten Häusern werden herausgebrochen und für „Neubauten" genutzt. Auffallend ist, dass die Frauen sehr arbeitsam sind, während die Männer häufig vor dem Haus sitzend, sichtbar dem Alkohol verfallen, das Nichtstun vorziehen. Ein paar Gänse weiden auf dem spärlich vorhandenen Gras, das sehr unter der Sommerhitze gelitten hat. Unsere Kinder sind in sich gekehrt, nachdenklich. Sie machen die Erfahrung, dass es große Armut nicht nur weit weg in Afrika!, sondern auch in Europa gibt.
Vom Haus meines Großvaters, über der Bahnlinie gelegen und nur etwa 500 Meter entfernt, besuchen wir den Quellbrunnen, an dem einst Ignaz Lindl, der Gründer Saratas, mit den ersten Siedlern gelagert hat. Dieser Brunnen funktioniert noch, und er ist so wichtig, weil er als Viehtränke dient. Allerdings sind wir einigermaßen betroffen darüber, dass die Gedenktafel zerstört ist und der Brunnentrog kaum noch seine Funktion erfüllt. Alles ist übersäht mit Scherben, die wahllos an den Telefonmasten zerschlagen werden. Die beiden Viehhirten, zwei Buben, die uns begleiten, stört das offensichtlich nicht. Sie sind nur an einem „Geschenk" interessiert. In einem Land, in dem Wasser so knapp ist, kann es doch nicht sein, dass die Quelle allen Lebens zerstört wird. Beim späteren Zusammentreffen mit dem früheren Bürgermeister Rudenko und dem Landrat des Rajon Sarata rege ich an, dass dieser Brunnen wieder instand gesetzt wird. Es wäre schön, wenn dazu die ehemaligen Sarataer einen Beitrag leisteten. Dies gilt umso mehr, als dieser Brunnen doch ein wichtiges Symbol der früheren Heimat ist. Selbst im Wappen der Bessarabiendeutschen ist der Steppenbrunnen als markanter Ziehbrunnen vertreten.
Unsere Reise geht weiter nach Lichtental, wo Kuno Lust fast wie der heimliche Bürgermeister wirkt. Die Arbeit dort trägt Früchte. Wir besichtigen die Kirchenruine, den Kindergarten und die Schule. Der Weg, der dort beschritten wird, ist richtig. Er folgt dem alten kommunistischen Prinzip, wonach Vertrauen gut, Kontrolle aber besser ist. Und so lässt sich Kuno Lust jedes Mal Rechenschaft darüber ablegen, was mit dem Geld geschehen ist. Er fragt nach der Waschmaschine, nach den instand gesetzten Sportgeräten usw.
Am Abend kommt der Höhepunkt des Tages: Wir werden von Familie Skripnik in Akkerman eingeladen, die uns mit ihrer großen Gastfreundschaft beeindruckt. Ein reich gedeckter Tisch, herzliche Freundlichkeit und Offenheit beschert uns einen schönen Abend.
Am darauf folgenden Tag, dem 31. August 2007, machen wir mit der gesamten Reisegruppe eine Rundfahrt durch Bessarabien, sie führt uns über Akkerman, Sarata, Arzis, Teplitz, Neu-Elft, Friedenstal, Lichtental und wieder zurück in unseren Badeort Sergejevka.
Gerade die Jüngeren stellen sich die Frage, welche Zukunft dieses Land hat und was man tun kann, um zu helfen. Die Lösungsansätze, auf die wir kommen, sind eher vage und von Skepsis begleitet. Bettelnde Kinder, arbeitsunwillige Männer wohin man schaut. „Aus Altmaterial kann doch keine Zukunft gebaut werden", hört man Einzelne sagen. Auf der anderen Seite wird darauf hingewiesen, dass es wohl darum gehen muss, dort zu helfen, wo es den Menschen nützt. Dass wir unsere Verbindungen nutzen, um konkret Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Es geht darum, in konkreten Situationen zu unterstützen und die dort lebenden Menschen zu befähigen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ich denke, wir müssen in der Zukunft versuchen, Vorbild-Projekte zu initiieren, die weiter tragen.
Besonders eindrucksvoll war das Museum in Friedenstal, das von Edwin Kelm und seiner Frau auf dem früheren großelterlichen Hof errichtet worden ist. Für uns wird hier erlebbar, wie früher „dahoim", so wie unsere Großeltern sagten, das Leben funktionierte. Dieser Hof wirkt allerdings wie ein Fremdkörper in dem verfallenden Friedenstal. Warum nimmt man sich das Bauernhofmuseum nicht zum Vorbild für die eigene Anordnung der Höfe? Ist es Resignation oder nur Gleichgültigkeit? Ich denke, dass wir in dieser Richtung Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Ohne das Wirken des früheren Bundesvorsitzenden Dr. h.c. Edwin Kelm und seiner Frau Olga, das bis in die 60er Jahre hineinreicht, wäre unsere Reise in das Land unserer Vorfahren nicht möglich. Sie haben eine Organisation aufgebaut, Kontakte geknüpft und auch ganz persönlich Projekte wie z. B. das Krankenhaus in Schabo, die Kirche in Sarata, das Bauernhofmuseum in Friedenstal, Gedenksteine und vieles mehr in Gang gebracht. Dafür ist Edwin Kelm mit der Ehrendoktorwürde der Universität Chisinau/Moldawien ausgezeichnet worden und hat eine der höchsten Auszeichnungen der Ukraine erhalten. Letzteres feiern wir am Samstag, dem 1. September 2007, mit vielen Weggefährten aus Sarata. Mit Dr. Reinov, dem früheren Chefarzt am Sarataer Krankenhaus, dem Präsidenten des Rajon (Landkreis), dem früheren Bürgermeister von Sarata, Rudenko. Mit den zwischenzeitlich angereisten Direktoren des Alexander-Stifts, Vossler, und der Anstalten Stetten aus dem Remstal, Förschler, überlegen wir, wie die Partnerschaftsarbeit aussehen kann.
Klar ist: Der von mir angeregte Brunnen in der Steppe soll wieder instand gesetzt werden. Dr. Boris Reinov, der Sohn des früheren Chefarztes, will sich diesem Vorhaben persönlich annehmen. Es wäre schön, wenn die Bessarabiendeutschen dieses Projekt in Sarata unterstützen würden. Außerdem werde ich von meinen Krankenhausdirektoren prüfen lassen, ob es Geräte gibt, die von uns nicht mehr gebraucht werden und mit denen wir die Krankenhausversorgung wirksam unterstützen können.
Allerdings stellen wir auch fest: Bessarabien heute, ist in seinen ländlichen Gebieten auf dem Stand eines Entwicklungslandes. Das ist nüchterne Tatsache. Manchmal hat man den Eindruck, dass das kommunistische System durch einen ‚Staatskapitalismus‘ abgelöst worden ist.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Menschen begegnen uns mit großer Freundlichkeit und dort, wo wir auf sie zugehen, auch mit Dankbarkeit. Sie öffnen uns ihre Häuser und Herzen, geben oftmals das Letzte, was sie haben, ein Gastmahl. Der Auftritt einer Folkloregruppe aus Akkerman zeigt deren hohes tänzerisches und künstlerisches Niveau, vor allem aber die Lebensfreude, die trotz allem immer wieder erlebbar ist.
Mit der Besichtigung der Burg in Akkerman, dem Stadtmuseum und der Stadt Odessa klingen erlebnisreiche Tage aus. Unsere Gruppe hat Spaß gemacht, aber wir haben auch festgestellt, dass gerade wir Jüngeren die Älteren brauchen, um uns aus dem eigenen Erleben zu berichten. Wir brauchen Leute wie Edwin Keim und seine Frau, Direktor Vossler, der sich besonders um den aufstrebenden Weinort Hoffnungsfeld kümmert, und Kuno Lust, der zwar als Zweijähriger die damalige Heimat verlassen musste, aber ein überzeugter Bessaraber ist. Dafür danken wir alle sehr herzlich. Uns hat die Gruppe sehr viel Spaß gemacht. Jung und Alt haben sich gut verstanden.
Es ist doch ermutigend, dass sich so viele Jüngere interessieren und das gibt eine gute Zukunft für den Bessarabiendeutschen Verein.
Heinz Eininger, Kirchheim unter Teck
veröffentlicht im Mitteilungsblatt vom 18. Mai 2007
Am Donnerstag hieß es sehr früh aufstehen, denn der Flieger nach Odessa flog schon um 6:20 Uhr von Stuttgart aus. Alle Teilnehmer waren vollzählig da, nämlich Dr. Kelm als Reiseleiter, sein Schwager Alfred Eberle, Kuno Lust, die beiden Eichendorfer Wiegard Ost und Egon Fächle sowie Hugo Adolf.
In Budapest wie üblich vier Stunden Aufenthalt, danach pünktliche Ankunft in Odessa, von Valery mit einem Kleinbus schon erwartet. Wir starten sofort Richtung Chisinau. Auch ohne Visumzwang zähflüssige Grenzabfertigung. Übernachtung im Hotel Cosmos.
Um 8:30 Uhr schon Termin im moldauischen Außenministerium. Außenminister Andrej Stratan hat uns herzlich empfangen, er war bestens orientiert über die vielfältigen Aktivitäten des Bessarabiendeutschen Vereins und am Abend kam im Radio die Nachricht, dass eine Delegation mit Dr. KeIm in Moldawien unterwegs sei.
Anschließend gleich Besuch in der Deutschen Botschaft. Da der Botschafter einen Termin auswärts hatte, wurde er von Frau Jennewein vertreten. Es stellte sich heraus, dass Frau Jennewein vorher in Kiew bei der Deutschen Botschaft angestellt war und Herrn Kelm schon bei vielen Visumproblemen behilflich sein konnte.
Start in Richtung Fürstenfeld mit Endziel Cahul. In dem Städtchen Hincest kurzer Stop bei der Schlossruine, die immer noch keinen Käufer gefunden hat. Das Schloss wurde mit dem Geld aus der türkischen Kriegskasse erbaut, die der russische General Manukbejef dem türkischen Sultan entwendet hatte. Es hatte ihm aber kein Glück gebracht, denn die Häscher haben ihn später um einen Kopf kürzer gemacht.
Die ehemalige Lavendelfabrik in Fürstenfeld verfällt immer mehr.Nur ein Landwirt, der die umliegenden Ländereien bearbeitet, hat sich einen Teil der Ruine zunutze gemacht, und sogar sein Mähdrescher steht unter Dach. Die Mühle arbeitet jetzt im Frühjahr nur mit halber Kraft. Auffällig der häufige Besitzerwechsel in der Mühle. Beim kurzen Stop in Ebenfeld trafen wir auf den gut deutsch sprechenden Wassily, der viele Freunde in Deutschland hat und uns auch einige Namen aufzählen konnte.
Wir erreichten das Dorf Manukbeiefka, das 1940 noch etwa 600 Deutsche Einwohner hatte, die deutsche Schule wird heute als Kindergarten genutzt. Über Bergdorf und Jargara kamen wir nach Bajusch, dem Heimatort von Oskar Motz. Kurzer Besuch am Gedenkstein, dann noch nach Neu-Sarata, das schon in der herrlichen Abendsonne lag, an dem Grenzort Leowa vorbei in Richtung Kahul, wo wir zu später Stunde unser Hotel erreichten.
Samstag, den 31. März. Ein wichtiger Tag. Unser Sorgenkind, die Kirche Albota, stand auf dem Programm. Vorher noch ein kurzer Abstecher nach Alexandrowka, wo Edwin Kem vor einem Jahr zwei Esel mit Wagen für den stolzen Preis von 80 Euro erworben hatte. Der Besitzer sollte die Esel solange behalten und mit ihnen arbeiten, bis Herr Kelm sie abholt, aber er durfte sie nicht mehr schlagen. Er erschrak sehr, als er uns sah, denn er hatte einen Esel schon wieder verkauft. Valery hat ihn tüchtig ausgeschimpft. Heiteren Gemüts verließen wir das Dorf, aber in Albota verging uns zunächst das Lachen. Obwohl wir angemeldet waren: Wo war der Pope, wo die Kirchenältesten, wo der Schlüssel?
Nun, der Pope Andrej war auf einer Beerdigung und hatte vergessen, den Schlüssel weiterzugeben. Herr Kelm war sehr verärgert, doch letztendlich war unser Besuch doch von Erfolg gekrönt. Unsere Befürchtungen, dass die tragenden Querbalken der Kirchendecke durchgefault wären, hatten sich nicht bestätigt, und das Dach scheint nun endlich dicht zu sein, so dass wir unter die Kirchensanierung Albota bald einen Schlussstrich ziehen können.
Zufrieden fuhren wir weiter in Richtung Eichendorf, die Straßen waren trocken, und so war es problemlos, das Dorf über Feldwege zu erreichen. Der Neubau der Kirche ist programmmäßig fortgeschritten, die Fenster sind eingebaut und teilweise auch schon die Türen, so dass die Kirche am 29. Juli eingeweiht werden kann. Der geplanten Umzäunung des Kirchengeländes für 10.000.- € konnten die beiden Vertreter aus Eichendorf nicht zustimmen, Der Eichendorfer Heimatausschuss wird sich bestimmt noch eine kostengünstigere Variante einfallen lassen.
Der Bürgermeister ließ es sich nicht nehmen, uns auf Feldwegen vorauszufahren und an der Markungsgrenze noch einen letzten Umtrunk mit uns zu veranstalten.
Am späten Nachmittag erreichten wir die Grenzstation Bassarabiaska, und nach der üblichen Wartezeit ging es über Kulm nach Friedenstal ins Bessarabische Museum. Bei einbrechender Dunkelheit kamen wir in Arzis an, schon erwartet von der Dolmetscherin Anna. Der Standard im Übernachtungshotel in Arzis entsprach ungefähr dem des Hotels Russ in Akkerman.
Der nächste Tag, Sonntag 1.April, sollte ein Höhepunkt unserer Reise werden. Unter der Schirmherrschaft des Landrates durften wir als erste Reisegruppe das in der Nähe von Arzis gelegene Atombombenlager besichtigen. Es hat zwei Bergeingänge, fünf Tonnen schwere Stahltüren und jeweils drei hintereinander liegende meterdicke Stahltore. Die Wachmannschaft durfte niemals auch nur ein Wort über ihre Arbeit verlieren und wurde deshalb die „Truppe der Taubstummen" genannt. Sie waren jeweils 30 Tage unter Tage im Dienst, rund um die Uhr. Ein leichtes Gruseln überfiel uns schon bei der Besichtigung dieser Anlage.
Über Plotzk, Dennewitz kamen wir in den schönen Weinort Hoffnungsfeld, wo wir gleich am Ortseingang dem Bürgermeister Dimitry begegneten. Es war überhaupt sehr auffällig, wie oft wir die Bürgermeister auf der Straße antrafen. Das nennt man Bürgernähe! Das Museum mit den Tafeln in russischer und deutscher Sprache und mit den schönen Fotografien aus der deutschen Vergangenheit kann sich sehen lassen.
Wir fuhren zurück über Neu-Brienne in Richtung Teplitz, dem früheren Vorzeigedorf der Bessarabiendeutschen. Teplitz hat heute eine Landwirtschaftliche Berufsschule, die von den Teplitzer Landsleuten schon sehr viel Hilfe erfahren durfte. Wir kamen nach Neu-Elft, dem Geburtsort von Dr. Broneske, nach Alt-Elft, Paris, Neu-Paris und Kaschpalat, wo ein Gedenkstein erstellt werden soll. Die Lehrerin Kat ja ist heute noch sehr traurig, dass ihr guter Freund Immanuel Kelm nicht mehr lebt.
2.April. Hoffnungstal, das schon vor Jahrzehnten dem Manövergelände zum Opfer gefallen war. Der Gedenkstein auf dem alten Friedhof am Berg erinnert noch an das deutsche Dorf. Der schwarze Granitstein in Form eines Kreuzes ist in einen stehenden Dreschstein einbetoniert und macht einen sehr stabilen Eindruck. Das riesige Manövergelände wird zum großen Teil schon wieder landwirtschaftlich genutzt und auf den festgefahrenen Feldwegen kamen wir sehr schnell voran. Am Ende waren wir nicht mehr weit weg von Lichtental, wo wir noch kurz an der Kirche anhielten, bevor wir uns entgültig auf den Heimweg nach Sergeiefka machten.
Am 3. April waren wir zum Lammbraten bei Larissa in meinem Geburtsort Annovka eingeladen. Am Rundbogen auf dem Friedhof in Friedensfeld fällt schon wieder der Putz von den Stellen ab, wo bei der Renovierung kein Glasfasernetz verwendet wurde. Auch hat man den Eindruck, dass das ganze Dorf sich nicht zu seinem Vorteil verändert hat. Kuno Lust hatte in Eigenfeld einiges zu erledigen, aber die betreffenden Leute waren nicht anzutreffen, so dass wir es bei der Rückfahrt noch mal versuchen wollten.
Im Krankenhaus in Schabo kam unser Besuch ziemlich ungelegen. Dr. Stepanov hatte seinen Operationstag und konnte uns natürlich nicht empfangen. Wir verabschiedeten uns schnell wieder. Sofiental in der Nähe von Schabo ist ein sehr schönes Dorf und die Spuren der deutschen Vergangenheit sind nicht zu übersehen. Viele Höfe scheinen noch vollständig erhalten zu sein mit Ställen, Schuppen und Sommerküchen. Der Gedenkstein steht an markanter Stelle mitten im Dorf.
Es gäbe noch viel zu berichten über unsere interessante und anstrengende Dienstreise, aber der Bericht darf aus mehreren Gründen nicht zu lang werden. Es besteht die Gefahr, dass zu lange Berichte gar nicht gelesen werden. - Erwähnenswert wäre noch der Besuch in den ehemaligen deutschen Dörfern jenseits des Dnjestrs, also in Neuburg, Mariental, Josefsdorf, Peterstal und Großliebental. In Peterstal ließ die Bundesregierung in den achtziger Jahren Häuser, Werkstätten und ein großes Gemeindezentrum errichten, um Deutschstämmige, die nach Sibirien verschleppt waren, zum Bleiben zu ermutigen. Die Häuser und Werkstätten sind zwar alle belegt, aber die Deutschstämmigen sind als Spätaussiedler fast alle nach Deutschland ausgereist. Wir können es verstehen, denn sie wurden schon zu oft enttäuscht und haben als Deutsche zu viel mitgemacht.
Hugo Adolf
veröffentlicht im Mitteilungsblatt vom 15. März 2007
Mit dieser ausführlichen Reisebeschreibung wende ich mich vor allem an nachkommende Generationen, weil ich so optimistisch bin zu glauben, dass auch sie eines Tages mehr über die Geschichte ihrer Vorfahren wissen wollen und unsere ehemals schöne Heimat Bessarabien, die auf der Landkarte schon verschwunden ist, nicht in Vergessenheit geraten darf. Gern bin ich bereit, interessierten, unternehmungslustigen, noch nicht so finanzkräftigen jüngeren Menschen Reisetipps zu geben.
Im August dieses Jahres besuchten wir, mein Mann und ich zum wiederholten Male, gemeinsam mit Elfi und Helmut Stach aus Sachsen-Anhalt mit dem Pkw Bessarabien. Helmut hatte beim Lesen meines Buches „Welcher Heimat gehört unser Herz?" festgestellt, dass wir verwandt sind. Seine Mutter, geb. Weißpfennig, von den Russen 1945 erschossen, war die Kusine meines Vaters Emil Elhardt. Obwohl Helmut erst 1943 im Warthegau geboren wurde, einigten wir uns beim ersten Treffen, die Reise in die Ukraine zu unternehmen. Zweifache Transitvisa für Moldawien besorgte ich auf der Botschaft „Moldova" in Berlin ohne jegliche Komplikationen, die es im vorigen Jahr hinreichend gab. Meine Beschwerden wegen schikanöser Behandlung durch die moldawischen Grenzposten an der ukrainisch - moldawisch - rumänischen Grenze in Reni waren erhört worden. Es wurde mir sogar mitgeteilt, ab 01.01.2007 gäbe es auch für Moldawien die Visafreiheit.
Erste Übernachtung in Polanica Zdroj (ehemals Bad Altheide in Oberschlesien)
Am 11.08.06 starteten wir in Mügeln mit Stachs „Honda", genügend Reiseproviant und Geschenke an Bord. Als erstes steuerten wir die gepflegte Privatpension „Jantar" im wunderschönen Heilbad und europaweit anerkannten Herzkurort Altheide, in dem schon der „Alte Fritz" seine Leiden kuriert haben soll, an. Unsere Wirtin Christina, in deren Villa mein Mann und ich im Thermalbad Bük in Ungarn häufig weilen, weiß bestens, wie man Gäste zur Zufriedenheit beherbergt. Der Spaziergang durch den Kurpark und ein 45-minütiger Besuch der Salz-Jodhöhlen wirkten äußerst beruhigend.
Erwähnen muss ich noch, dass ich niemals gleich hinter Görlitz, an der Keramikfabrik in Boleslawiec (früher: Bunzlau), vorbeikomme, ohne ein Stück, diesmal einen Leuchter, zu kaufen.
Grenzübergang zur Ukraine und zweitägiger Aufenthalt in Uschgorod
Durch die herrliche Gebirgswelt des Jesenik (früher: Sudetenland) und der Tatra in der Slowakei fuhren wir Richtung Ukraine über Michalovce, wo an den Seen die DDR-Bürger früher gern campten. Der langwierige Grenzübertritt in Vys. Nemecke nervte zwar, aber trotzdem hatten wir unseren Spaß dabei. Noch mal und noch mal musste der Fahrzeughalter, also der Helmut, sämtliche Papiere zeigen. So ein Mist, die waren in Ordnung! Was könnte man an diesem Auto nur bemängeln? Das war's, ein großes „D" fehlte! Schnell wurde eins gemalt. Die Passkontrolle hatten wir lange passiert. Da hatte der glatzköpfige, korpulente, findige Zollbeamte einen rettenden Einfall: „Die mitgeführten Medikamente vorzeigen!" Dass ich ihm auf Russisch die Bluthochdrucktabletten erklären konnte und auch noch russische Grippetabletten dabei hatte, passte ihm absolut nicht ins Konzept. Mit mir wollte er nichts zu tun haben! Irgendwie schaffte er es, den Fahrzeughalter allein in das Wachhäuschen zu lotsen. Endlich! Helmut musste sein Portmonee zeigen. Fassungslos schaute der Dicke hinein und entdeckte nur 100 €. Nur 100 €, wo dieser Mensch doch bis Bessarabien, dem Glatzkopf unbekannt, fahren wollte? Die Frauen könnten das Geld haben, ging ihm nicht in den Schädel. Also einigte er sich mit Helmut auf 15 € als „Souvenir", damit wir keine weiteren Kontrollen zu befürchten hätten.
Ungeduldig wartete am Uschgoroder Flughafen unser langjähriger Freund Wasja, der zu DDR-Zeiten im Pflanzenschutz bei „Sachsenobst" als Hubschrauber-Mechaniker tätig war. Über die herzliche Verbundenheit und gastliche Bewirtung gäbe es viel zu berichten. Unvergesslich wird das Schaschlik-Grillen in der freien Natur an der Usch in den Karpaten bleiben.
Weiterfahrt nach Tschernowzi in der Bukowina
Unsere Fahrt setzten wir über Mukatschewo durch die Ostkarpaten fort. In der Ukraine fasziniert mich immer wieder, wie in jedem kleinen Ort aus dem Dunkelgrün der Wälder die silbern glänzenden Zwiebeltürme der Kirchen hervorleuchten. Nachts hatte es in Strömen gegossen, sodass der kleine Fluss Tisa, der uns kilometerweit begleitete, zu einem reißenden Strom angeschwollen war. Was der an Plaste - Verpackungen und Unrat mit sich führte, spottet jeder Beschreibung. Ein Verbrechen! Die westlichen Handelsketten lassen ihre Kaufhallen wie Pilze aus der Erde schießen. Um die Müllentsorgung kümmert sich niemand. Demzufolge landet alles in der freien Natur. Wie soll das enden?
In Tschernowzi wurden wir von unserem Freund Dragosch und Familie, die erst vor wenigen Tagen von ihrem Besuch bei uns in Sachsen begeistert zurückgekehrt waren, bestens bewirtet.
Gleich am ersten Abend fuhr er uns mit seinem Chrysler zu seinem Bruder in ein herrliches Restaurant an einen riesigen Badesee, an dem unsere Männer am nächsten Tag auch ihrer Angeln-Leidenschaft nachgehen konnten.
Dragosch und seine Brüder haben sich durch großen Fleiß und Tüchtigkeit einen Wohlstand geschaffen und beschäftigen viele Leute in ihren Restaurants, Bars, Diskos ..., die westlichem Standard nicht nachstehen. Dank seiner guten Beziehungen konnte Helmut eine neue Brille, inklusive Augenarztbesuch, innerhalb kurzer Zeit für 80 € in Besitz nehmen. Auch wir Frauen freuten uns über einen modernen Haarschnitt für verschwindend wenig Geld.
Der Liter Benzin (95 bleifrei) kostete in der Ukraine, trotz mehrmaliger Erhöhungen seit 2005, 76 Cent.
Fahrt mit Hindernissen durch Moldawien
Am Pruth entlang erreichten wir sehr schnell den Grenzübergang (über Mamaliga) nach Moldawien. Die Abfertigung allerdings verlief weniger schnell (2 Autos = 1 Std.). Zahlen für die Desinfizierung, für die Straßenbenutzung, für die Ökologie! Von einem Schalter zum anderen. Stempel! Stempel! Stempel! Helmut fiel auf, dass bei den Grenzposten die Köpfe fast unter den großen Mützen verschwanden.
Auf holprigen, mit Nussbäumen begrenzten Straßen fuhren wir an Mais-, Sonnenblumen- und Weinfeldern vorbei, an Herden Kühe, Schafe, Ziegen, an Bergen Melonen und Harbusen.
Über Walz, Kischinew, Richtung Odessa hätten wir vor Anbruch der Dunkelheit unser Ziel Schwarzes Meer problemlos erreichen können. Wenn! Ja, wenn...! Bei Tiraspol stoppte uns plötzlich eine Panzersperre, schickte uns zurück. Den Anweisungen folgend, landeten wir am „Migrationspunkt", wo uns als Ausländer keine Durchfahrt gewährt wurde. Transistrien, auch Pridnjestrowje genannt, führte Anfang der 90er Jahre mit der alten Sowjetarmee einen Krieg gegen Moldawien, gründete eine von niemandem anerkannte Republik (Hauptstadt Tiraspol, 550 000 Einwohner). Ich erinnerte mich. Als wir 1994 mit unseren Kiewern durch Moldawien fuhren, von Bessarabien kommend, hielten uns laufend Soldaten mit MP an.
„Was tun?", hätte Lenin gesagt. Energisch diskutierte ich mit einem und dem anderen Posten und erreichte, dass wir gegen Bezahlung einer Strafe von 5€ pro Person und bei einem anderen für das Ausstellen der Talons einiger Griwna passieren durften.
Urlaub im Bad Burnas
Wenn das mein Großvater Jakob Schulz hätte erleben dürfen, dass seine Enkelin im Bad Burnas, wo einst seine Villa „Auerbachs Keller" stand, den Urlaub verbringt!
Nachts, in totaler Dunkelheit, fanden wir mit Hilfe etlicher junger Menschen Pawel und Leonora (Mein Buch: „Schwarzer Storch - Weißer Schatten" S. 169) aus dem Dorf Kuljewtscha, die uns eingeladen hatten. Mit ihrem Jeep begleiteten sie uns, etwa 40 km, direkt in ihr neues großes Haus, in Windeseile innerhalb weniger Monate erbaut und notdürftig für uns eingerichtet, nach Lebedjowka im Bad Burnas. Das Gebäude soll nach Fertigstellung eine Pension mit Gästezimmern und einem Speiseraum werden. Jede Menge gebratene Fische im Kühlschrank und ein großer Kanister „lebender" Rotwein (keine abgetöteten Mikroorganismen) aus einer Weinkelterei standen für uns bereit. Übrigens, die bessarabischen Weine munden alle vorzüglich.
Sie übergaben uns die Schlüssel und fuhren nach Hause.
Herr Mutschler, ein Bessaraber aus Pawlowka, dessen Großvater auch Villenbesitzer in Bad Burnas war, hatte mir vor unserer Reise einen Lageplan von früher geschickt. Mit diesem konnten wir nicht mehr viel anfangen, weil sich vieles verändert hat und umgebaut wurde. Die jetzigen Besitzer einiger noch gut erhaltener Häuser der Deutschen wissen kaum etwas von der Vorgeschichte. Eine Ladenstraße mit Geschäften, Restaurants, Disko, Händlern, ... sichert die Verpflegung ab. Der breite Sandstrand mit den Dünen und dem Liman könnte ein wunderschöner Erholungsort sein. Blickt man im Dunkeln von den Klippen aufs Meer, leuchten die rauschenden Wellen wie von Neonlicht angestrahlt. Glitzernde Glühwürmchen tanzen ihren Reigen. Könnte sein! Das Herz blutet einem, wenn man sieht, wie der herrliche Strand und die Dünen mit jeglichem Müll, auch kaputten Glasflaschen, versaut wird.
Mein Geburtsort Basyrjamka mit einem Wochenmarkt und den gepflegten Weinfeldern hebt sich noch annehmbar ab. Viele im Dorf kennen meinen Mann und mich schon und freuen sich übers Wiedersehen. Vor allem die ehemalige Geschichtslehrerin Alla mit ihrem Sohn Jaroslaw, der gerade aus Odessa zu Besuch da war. Ein Gespräch mit Alla zu führen, fällt schwer, weil sie laufend wegrennen will, um noch etwas aufzutischen.
Natürlich suchten wir auch Helmuts Heimatdorf Mannsburg auf, das jetzt Alexejewka heißt, wie uns alte Mütterchen versicherten. Ein hässliches Dorf! Keine schöne Kirche mit dem Friedhof im Zentrum mehr, die Abwässer fließen auf die Straße, einige Häuser der Deutschen als Ruinen bei den mehrstöckigen Russenkasernen. Wenn man mit jungen Menschen nur auf solche Dörfer fährt, kann man ihr Herz für die Heimat ihrer Vorfahren nicht erwärmen.
Geradeaus schlugen wir den Weg nach Lebedjowka ein. Wie wagemutig! Der ungepflasterte Weg löste sich in einen Feldweg mit tiefen Spurrinnen auf, über die Helmut das Auto geschickt jonglierte. Erfreut über unser Erscheinen sprang ein junger, recht hübscher Wächter, jedoch verschmutzt wie Braunkohle, aus einer erbärmlichen Hütte am Harbusenfeld. Sechs schwere Harbusen für 50 Griwna (ca. 8€) schwatzte er uns auf. Eine davon wurde uns am Strand, wo sie Helmut eingebuddelt hatte, geklaut.
Trotz einiger Unannehmlichkeiten war der Badeurlaub am Schwarzen Meer bei herrlichem Sonnenschein wunderschön.
Die Rückreise über Rumänien, Ungarn, Slowakei, Tschechei
Bei der Rückreise wählten wir den Grenzübergang Bolgrad, also nach Moldawien rein. An einer Weggabelung muss man höllisch aufpassen, weil kein Schild darauf hinweist, dass man beim Geradeausfahren in Reni (wieder in der Ukraine) landet. (In meinem neuen Buch „Schwarzer Storch - Weißer Schatten" befindet sich die farbige Landkarte S. 164.) Ohne langwierige Formalitäten geht es natürlich an keinem Grenzübergang ab. Diesmal erlebte ich bei den Moldawiern eine Überraschung. Der dicke, gemütliche Posten behandelte mich äußerst freundlich. Er schrieb mir eine Quittung über 86 Griwna aus, obwohl ich nur noch 82 besaß. Auf meine Frage, wofür ich das Geld bezahlen müsste, lachte er schallend. Das sei für die guten Straßen, wobei er die Hand wellenlinienförmig bewegte und mir einen Handkuss gab.
Rumänien ist landschaftlich herrlich, jedoch der Straßenverkehr in den Städten chaotisch.
Unsere Reiseroute führte über Galatz, Braila, Buzau, Ploiesti, Brasov (Kronstadt), Sibiu (Hermannstadt) - also direkt durch Siebenbürgen, an der früheren Hauptstadt Medias (Mediasch) vorbei - Alba Julia (Karlsburg), Cluj-Napoca (Klausenburg), Oradea (Großwardein) nach Ungarn. Eigentlich wollten wir in dem bekannten Wintersportzentrum Poiana Brasov übernachten. Aber wegen hereinbrechender Dunkelheit und Nieselregens blieben wir in einem gepflegten Hotel bei Sinaia.
In Ungarns Thermalbädern fühlen mein Mann und ich uns fast wie zu Hause. Trotzdem verließen wir das Thermalbad Hajduszoboszlo nach zwei Tagen, weil es im August übervölkert war. Für mich sind bei solch einer Reise die landestypischen Besonderheiten faszinierend. Rumänien mit seinen Hügeln, Bergen und Wäldern - den Karpaten - bildet zu Ungarn mit den Ebenen, den Viehweiden mit den Ziehbrunnen und lang gezogenen weißen Ställen - der Puszta - einen tollen Kontrast. Einmalig schön verlief die Fahrt über Budapest durchs Donauknie, immer an der Donau entlang. Im majestätischen Renaissance - Restaurant der Stadt Visegrad, im Mittelalter Königssitz mit der Burg Esztergom, nahmen wir ein hoheitliches Festmahl (Gänsebraten mit Rotkraut) ein und schlüpften sogar in Ritterkleidung. Das war ein Gaudi! Den letzten Tag verbrachten wir im renovierten und erweiterten, modern eingerichteten Thermalbad Komarom. Einfach klasse! Eine rundum gelungene Reise - wie mir Stachs versicherten.
Liselotte Pottetz
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